Zur Tagung im Museum Folkwang: Wechselwirkungen – Kunst im Kontext der Inklusionsdebatte
Heike Roegler
Wechselwirkungen war der Titel und das wichtige Thema der Tagung im Rahmen der Feierlichkeiten zum 60. Jubiläum der Lebenshilfe e.V. im Museum Folkwang am 6. und 7. April 2018.
Aufmerksam wurde ich auf sie vor allem aufgrund des Untertitels „Kunst im Kontext der Inklusionsdebatte“. Die Wechselwirkungen hatten sich mir auf den ersten Blick gar nicht sofort erschlossen. Das hat sich schnell geändert. Sie haben natürlich großen Einfluss auf meine Arbeit in der Vermittlung in einem Museum.
Wechselwirkungen sind das, was ich gerne immer weiter fördern möchte: „Museum als Ort, in dem Menschen zusammen kommen und sich begegnen“ – so brachte es Hans-Jürgen Lechtreck, der geschäftsführende Direktor des Museums Folkwang in seiner Begrüßung in diesem Sinne auf den Punkt.
Begegnungen, die auf der Tagung in verschiedene (Wirkungs-)Felder aufgeteilt waren – von der Produktion bis zur Vermittlung.
Die Tagung fand unter dem Blickwinkel der Kunst statt und war somit inhaltlich in vier Elemente der Wechselwirkungen in der inklusiven Kunst unterteilt:
– in der Produktion (kollaborativ)
Rachel Mader hat sich in ihrem Vortrag auf eine spannende Zeitreise zu verschiedenen künstlerischen Kollektiven aufgemacht und dessen unterschiedlichen Ausrichtungen aufgezeigt.
Die Gruppen zeigen sich im Unterschied zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts immer vielfältiger und damit auch in ihren Wechselwirkungen (sowohl innerhalb der Gruppe als auch in die Gesellschaft) diverser.
– der Rezeption (als Dialogmittel, Menschenbilder im Dialog, face to face)
„Dieses Tuch ist rot, aber es spielt keine Rolle, dass das Tuch rot ist.“
Zum Thema „Labelling“ betrachtete Viola Luz „Das Aber. Alles im Gleichen“. Ihr ging es in ihrem Vortrag um die Kunst als Gut, als Kommunikationsmittel und die Akteur/innen im Rezeptionsprozess.
Ihre These ist: Die Zuordnung zu „Art Brut“ und „Outsider Art“ ist an Hierarchien gekoppelt.
Letztlich fragt sie, welches Etikett einem Kunstwerk anhaften soll? Denn Kunst (ein Objekt) steht nicht für sich allein, sondern wird im (gesellschaftlichen) Kontext wahrgenommen.
– der Präsentation ( <kein> Labelling)
In dem Vortrag „Curatiing Disability. Access and Advocacy“ zeigte Amanda Cachia anhand von ihr kuratierter Ausstellungen, wie Kunst bereits in der Produktion inklusiv sein kann und sollte.
– in der Vermittlung (inklusionsorientiert)
„Inklusion ist etwas, wo individuelle Wege gesucht und gemeinsamer Austausch stattfinden.“
Der Satz von Katrin Dinges, die zum inklusiven Kunstvermittlungprojekt Gruppe Platz da! gehört, fasst die Wechselwirkungen der Vermittlung in einer diversen Vermittlungsgruppe sehr gut zusammen.
Das ist ein Ansatz, der den (inklusiven) Austausch zur Vermittlung (nicht nur für die Vermittlung) fördert und den ich sehr reizvoll finde.
Mein Fazit
Ich finde Wechselwirkungen sehr bereichernd, da sich allen Beteiligten verschiedene Perspektiven bieten. Je vielseitiger, desto besser, desto mehr spiegelt sich unsere diverse Gesellschaft.
Schon während der Tagung hatte ich das Gefühl, da passiert etwas mit mir, da blubbern Ideen. Und: Da muss ich noch mehr drüber nachdenken. Was kann ich in meine Arbeit übertragen? Wo finde ich mich selbst? Denn das ist ja das spannende, welche Wechselwirkungen erziele ich selbst in meiner Arbeit? Bzw. kann ich noch mehr Wechselwirkungen innerhalb der Vermittlung erzielen?
Was ich neu dazu gelernt habe und versuche zu fassen, ist der Fokus auf die Produktion, die ich gerne in diesem Rahmen und für mein Feld der Vermittlung in einem historischen Museum auch auf diese beziehen würde.
Ich meine damit, das Vermittler in ihren Konzeptionen / Ideen zur Vermittlung etwas produzieren, indem sie über das reine Weitergeben von einem Wissensstand hinaus versuchen, Räume der Kommunikation zu schaffen, die zum Austausch und Erfahren einladen.
Und das heißt für meine Arbeit noch mehr als bisher, kommunikativ, kollektiv zu denken und arbeiten. Das Ziel bleibt, aber der Weg dorthin kann noch stärker in seiner Vielfalt sein. Ich finde den Gedanken des kollektiven Prozess in der Konzeption in der Vermittlung spannend.
Positive Beispiele in diesem Sinne sind die Herbergsmütter, der #artedutalk und weitere Vermittlungskollektive, z.B. der Bundesverband Museumspädagogik, diverse Arbeitsgruppen wie die LinkedIn Gruppen der Europeana usw.
Was ich mich frage, ist, wie weit ich bereits in der Konzeption noch viel mehr außerhalb der eigenen Gruppe arbeiten kann?
Ich hätte große Lust dazu!
Eine Zusammenfassung der Talks folgt hier ...
Produktion
Rezeption
Präsentation
Vermittlung
Verweise
Amanda Cachia
Curatorial Activism: Amanda Cachia ist Kuratorin von ca. 40 Ausstellungen, die sich mit Fragen sozialer Gerechtigkeit befassen.
Barner16
„… ist ein inklusives Netzwerk professioneller Kulturproduktionen von Künstlern mit und ohne Handicaps.“
CAMP
„CAMP was founded in November 2007 by Shaina Anand, Sanjay Bhangar and Ashok Sukumaran. CAMP is not an "artists collective" but rather a studio, in which ideas and energies gather and become interests and forms. In this process we try to move beyond binaries of art vs. non-art, commodity markets vs. 'free culture', or individual vs. institutional will to think and to build what is possible, equitable, and interesting, for the future.“
„The collective Chto Delat (What is to be done?) was founded in early 2003 in Petersburg by a workgroup of artists, critics, philosophers, and writers from St. Petersburg, Moscow, and Nizhny Novgorod with the goal of merging political theory, art, and activism.“
Composing Dwarfism catches the perspective of two contemporary dwarf photographers
EUCREA
„EUCREA wurde 1989 gegründet und ist seit fast dreißig Jahren der Dachverband zur Vertretung der Interessen von Künstlern mit Beeinträchtigungen im deutschsprachigen Raum. Bei den fast 100 Mitgliedern in Deutschland, Österreich und der Schweiz handelt es sich um Künstler mit und ohne Behinderung, Interessenvertretungen, Kunstateliers, Stiftungen u.v.m.“
Was passiert, wenn die Grenzen menschlicher Körper verschoben werden?
„Inspired by the 2015 XVII Pan American and Parapan American Games and the work of the philosopher of phenomenology, Maurice Merleau-Ponty, The Flesh of the World was an exhibition presenting diverse and complex views of the body that might deepen qualities typically associated with competitive sports and games, such as the relationship between the body and technology, and how the senses might offer new forms of knowledge to corporeal performance and potential.“
"We're less interested in reflecting than in projecting out into the community“ (Tim Rollins)
Künstlervereinigung 1970 in New York gegründet
Bekannte Mitglieder sind u.a. Doug Ashford, Julie Ault, Tim Rollins, Félix González-Torres, Jochen Klein.
Neue Gesellschaft für Bildende Kunst
„Die 1969 mit basisdemokratischer Struktur gegründete neue Gesellschaft für bildende Kunst (nGbK) ist einer der bedeutendsten und mitgliederstärksten Kunstvereine Deutschlands. Die einzigartige Struktur der nGbK ermöglicht eine direkte Einflussnahme auf die inhaltliche Ausrichtung: Ausstellungen, Interventionen, Rechercheprojekte, Veranstaltungsreihen und Publikationen werden von Mitgliedern in interdisziplinären Projektgruppen entwickelt und von der ersten Idee bis zur Realisierung betreut.“
LOUD silence
„This exhibition included prints, drawings, sculptures, videos, audio works and several film installations, and featured work by four artists who have different relationships to deafness and hearing-impairedness.“
Die offene Bibliothek
„Kunst im Öffentlichen Raum“von Clegg und Guttmann
Thikwa
„Thikwa ist ein künstlerisches Experiment mit behinderten und nichtbehinderten Künstlern. Es ist allerdings auch ein gelungenes soziales Experiment.“
154 Collective
„154 Collective is an international, multi art form group, including Performers, Painters, Writers, Photographers, Animators, Dancers and Musicians. With Collaboration at the heart, we seek to tell stories from unusual and fun perspectives whilst using an array of art forms and approaches to achieve this, including: theatre, exhibition, publications, music, live projections and public art.“
Park Fiction
von Ch. Schäfer und Cathy Skene
Platz da
Inklusive Kunstvermittlungsprojekt
Silja Korn
Erste blinde Erzieherin in Deutschland mit Staatlicher Anerkennung
Künstlerin
Kunstvermittlerin
„Sweet Gongs Vibrating was a multimedia, multisensory exhibition that broke with the ocularcentric by embracing myriad modes of perception.“