Tools of Change for Publishing Conference in Bologna: „The Rise of the empowered Child“
Heike Roegler
Natürlich bin ich voller Vorfreude zur „TOC 2013“ nach Bologna gereist. Meine erste TOC-Konferenz hatte mich im letzten Jahr völlig überrascht, mir gezeigt, dass es schon längst kreative Menschen gibt, die sich mit dem Thema der interaktiv erzählenden Medien befassen.
Für mich war es damals die Initialzündung für meine Suche nach interaktiv erzählenden Geschichten und dem, was sie zu guten Erzählungen macht.
Ein Jahr später war es also anders, ich kam mit Erwartungen … und wurde wieder überrascht.
Irgendwie war ich der Hoffnung, nachdem im letzten Jahr viele sehr überzeugend vom Wachstum und den Möglichkeiten der interaktiven Medien gesprochen hatten, mehr von dem „Was? Wie? Wo?“ guter Geschichtenerzählung zu erfahren. Frei nach dem Motto: Diese Geschichte funktioniert so prima, weil …
Antworten gab es, aber auch Fragen. Da passiert etwas völlig Neues, etwas von dem wir beginnen zu ahnen, dass es etwas Anderes ist.
Um etwas Neues zu verstehen, zieht man oft einen Vergleich zu etwas Bekanntem. Im Fall der Möglichkeiten Geschichten zu veröffentlichen liegt der Vergleich zu dem Buch sehr nahe. Doch leider einer, dem man widerstehen sollte. Interaktive Medien sind kein Buch und sollen und wollen es auch nicht sein.
Von den Kindern lernen
Wie also etwas Neues verstehen? Die Antwort der diesjährigen TOC war deutlich:
Indem wir von den Kindern lernen.
Eine Erkenntnis, die beispielsweise das Team von Atlantyca auf ihren Weg brachte, wie Claudia Mazzucco (CEO Atlantyca) und Prof. Paolo Ferri (University of Milano) in ihrem Vortrag berichten.
Atlantyca sieht eine neue Generation von Kindern, die Mulitmediakinder. Ihre Frage ist, wie die Touchfunktion eines Tabletts die Art der Unterhaltung, die Art Geschichten zu erzählen verändern kann (ähnlich eines Films, der nach einer Buchvorlage gedreht wird).
Gemeinsam mit Prof. Ferri haben sie deshalb begonnen, Kinder zu beobachten, wie sie Apps nutzen, wie sie mit dem Gerät interagieren.
Der Zugang der Kinder zu digitalen Medien, ihre Art zu lernen und mit ihnen umzugehen wurde bereits von Sugata Mitra eindrucksvoll mit seinem „Hole in the Wall“ Experiment gezeigt. Der in England lebende Professor of Educational Technology stellte erstmals 1999 in einem Slum in Neu Delhi ein Computer auf, in einem Gehäuse in einer Mauer. Er war frei für Kinder zugänglich. Kinder, die bisher keine Art von Training bzw. Kenntnis über Computer hatten. Ziel war es, zu zeigen, dass Kinder selbst in der Lage sind, die Nutzung von Computern zu lernen.
Und die Kinder taten genau das. Sie eigneten sich ihr Wissen selbst an, gleich ihrer Herkunft und Ausbildung, selbst wenn sie kein englisch sprachen (Mitra nennt dies “minimally invasive education.”). Darüber hinaus zeigte sich außerdem, dass sie ihr Wissen mit jüngeren Kindern teilen.
Mitras Vision ist es übrigens, einen Ort zu schaffen, in dem Kinder von selbst entdecken, lernen und sich gegenseitig unterrichten können. Diesen Ort sieht er in einer weltweiten „Cloud“. („Lernen“ ein weiteres wichtiges Thema auf der TOC 2013. Dazu später mehr.)
Das “Renaturalisieren” der digitalen Welt durch den Touchscreen
Ferri sagt, die Touch-Geräte renaturalisieren die digitale Welt. Sie machen sie per Hand, genauer per Finger zugänglich. Das Gerät wird transparent. Kinder müssen den Kopf (Blick) nicht mehr zwischen Screen und Tastatur bewegen.
Das Anfassen ermutigt sie zur kooperativen Verwirklichung mit Gleichgesinnten: gemeinsames interagieren am Touchscreen, teilen von Geschichten.
Um also zu verstehen, wie Geschichten interaktiv erzählt werden könnten, sollten wir offen sein und von den Kindern lernen findet Ch. Dorffer von Mindshapes.
Ein Tenor, der auf der TOC immer wieder auftauchte. Dr. Alice Wilder (Chief Content Officer Speakaboos, Educational Psychologist ) rief dann auch dazu auf: Sprecht mit den Kindern, tut euch mit ihnen zusammen.
„The Rise of the empowered Child“
Kirsten McLean (Bookigee) benannte „The Rise of the empowered Child“ als einen der 5 wichtigsten Trends zum Kinderbuch.
Sie sieht sie fundamental selbst für ihre Forschungen und Auswahlen verantwortlich. Beispiele wie Worldreader mit ihrem Angebot von 441.000 Kinderbüchern für das afrikanische Sub-Sahara-Gebiet (500.000 Menschen lesen dort eBooks über mobile Geräte) zeigen in diese Richtung. Ihr Fazit: Es bedarf Moderatoren, keiner Supervisoren (als Hüter und Vermittler von Wissen).
Auch Dominique Raccah (Sourcebooks) sieht eine große Chance darin, dass Kinder selbst auswählen können, welche Geschichten sie kennen lernen und vertiefen möchten. Kinder wollen Geschichten, die für sie interessant sind. Sie wollen Kontrolle, Werkzeuge und Teilhabe.
Francesca Dow (Penguin) äußert sich so dazu: „Meine Antwort auf die Frage, was Kinder lesen sollten? Das ist einfach: Was immer ihr Interesse weckt, in welchem Format auch immer. Weil ihr Interesse formen wird, welche Art von Mensch sie werden.“
Raccah weiß, dass wir noch ganz am Anfang von dem sind, was ein Kinderbuch sein wird.
Es ist interaktiv, verbindend und zutiefst persönlich. Sie wünscht sich: „Lasst uns die Grenzen aufbrechen, die wir vorher hatten.“
McLean fasst es so zusammen: Gute Bücher sind immer noch wichtig. Das Digitale wird sich vom Gedruckten entfernen. Beide werden Seite an Seite existieren
Mit der Evolution des Digitalen wird das Gedruckte nicht verschwinden.
Und ich? Ich möchte dabei sein und mitmachen. Und allen denen es ähnlich geht kann ich die diesjährigen Gewinner des Bologna Digital Ragazzi Awards nur empfehlen. Schaut den Kindern zu, sprecht mit ihnen. Es wird spannend.