"The V&A offers a huge variety of ways to learn about and engage with ..."
Heike Roegler
Ein Besuch im Learning Department des Victorian and Albert Museums
Im Februar hatte ich die großartige Gelegenheit einen Kollegen aus der Abteilung Bildung und Vermittlung im Victorian and Albert Museum zu besuchen.
Die Reise hat sich im Rahmen der Planungen zum neuen kju, dem Magazin der LAG Kinder- und Jugendkultur Hamburg ergeben, das das Thema „Vermittlung“ beinhalten wird.
Warum das V&A?
Das V&A ist das weltweit größte Museum für Kunst und Gewerbe. 1852, ein Jahr nach dem großen Erfolg der ersten EXPO („Great Exhibition of the Works of Industry of All Nations“ oder „The Great Exhibition“) gegründet, hatte es bereits in den Gründungsstatuten festgeschrieben, der Bildung der Arbeiterklasse ebenso zu dienen wie Kunst für alle zugänglich zu machen und Designer sowie Hersteller zu inspirieren.
Bildung und Vermittlung ist tief mit den Leitbildern des Museums verbunden, von Anfang an. Heute spiegelt sich diese Haltung in den vielen Angeboten und Programmen des Hauses wider.
Die Angebote richten sich an Familien, Schulklassen, an Grundschüler ebenso wie an Studierende, sprechen Lehrer an, bieten Erwachsenenkurse und Training für Berufe im Bereich der Kultur - national und international. Aber auch Laien können sich den Sammlungen über Angebote nähern.
Mit der Kombination von Kunst und Gewerbe werden die Besucher angeregt, einen eigenen Bezug zur Sammlung zu finden und nach Möglichkeit selbst etwas herzustellen.
Der Grundgedanke eines persönlichen Bezugs ist es auch, der der heutigen Vermittlung im Kulturbereich zugrunde liegt. Ganz allgemein versucht Vermittlung eine Kommunikation herzustellen, zwischen den Menschen und ihrem erfahrbaren Gegenüber - das können im Museum Objekte sein, das kann Musik sein usw. Es geht bei der Vermittlung um die vielfältigen möglichen Beziehungen und was Menschen daraus machen.
(Siehe auch: Qualitätskriterien für Museen: Bildungs- und Vermittlungsarbeit (2008))
Der Kontakt
Überzeugt (und mit theaterreifen Geschick) konnte ich dem Redaktionsteam des kju versichern, dass ich wohl einen Kontakt zum V&A herstellen könnte.
Denn wie der Zufall will, kenne ich jemanden, die dort wahrscheinlich jemanden kennen könnte und wollte dann aber wirklich auch gerne mit.
Arne Bachmann, der als Journalist für das kju den Artikel schreiben wollte, versicherte mir netterweise, dass er meine Begleitung nicht als aufdringlich empfindet und so ich habe Verbindungen aufgenommen.
Meine Kollegin Dr. Antje Schmidt aus dem MKG Hamburg war dann tatsächlich so lieb, mich mit Alex Flowers zu verbinden. Alex Flowers ist der Teamleiter der Digitalprogramme der Abteilung Bildung und Vermittlung.
Ein paar wenige E-Mails später war die Reise geplant.
Lese ich sonst Reiseführer um mich auf einen anderen Ort vorzubereiten, bin ich also schließlich mit Vergnügen in den Webseiten des V&A versunken (meist mit einem guten Kaffee in der Hand).
Es gib dort in der Vermittlung noch die Bereiche Bildung und Besuchererfahrung, den Bereich für Erwachsene, Studenten und kreative Industrie, den Bereich Schulen, Familien und junge Menschen, den Bereich Barrierefreiheit und den Bereich Übersetzung.
Die Arbeit von so vielen Menschen für alle Bereich reflektiert einmal mehr die große Spannbreite der Programme. Sie richten sich an alle Altersgruppen, variieren in Dauer und Profession. Dabei können alle erdenklichen Themen und Inhalte, die das Museum bietet, vermittelt werden.
Alex Flowers war so freundlich, uns zu empfangen und seine Zeit mit uns zu verbringen. Er hat uns das Haus gezeigt, die Türen zu den Studios und Seminarräumen geöffnet, uns ins Theater gebracht, die Werkstätten gezeigt und uns einen Blick unter eines der Dächer werfen lassen.
Wir waren auch eingeladen, am Theaterprogramm teilzunehmen ("The strawberry thief", ein interaktives Stück nach einer SpieleApp, die in Anlehnung an ein Design von William Morris entstanden ist) und mit den Kollegen zu sprechen.
Ein Besuch der aktuellen Sonderausstellung "You say you want a revolution? Records and Rebels 1966-1970" war selbstverständlich ebenfalls noch drin.
(Hierzu gab es ein tolles Vermittlungsangebot, Kinder und Jugendliche haben eigene Protestplakate entworfen und durch das Museum getragen. Und viele Schüler, so Alex haben nach dem Besuch der Ausstellung versichert, sie würden nun gerne Hippies werden.).
Ich kann gar nicht genug betonen, wie sehr ich mich über die Zugänge und Gespräche gefreut habe. So viel Zeit und Aufmerksamkeit ist nicht selbstverständlich und ich möchte mich dafür herzlich bedanken.
Was ich gesehen und mitgenommen habe
Arne hatte bereits vorab viele Fragen an Alex geschickt, sodass viel Zeit für kollegialen Austausch und Gespräch blieb.
Natürlich war ich schwer beeindruckt von all den schönen Angeboten und Möglichkeiten der Vermittlung. Nur halb im Scherz habe ich gesagt, dass ich gerne sofort im V&A arbeiten möchte.
Interessant war aber auch die Erkenntnis für mich, das V&A ist auch "einfach" ein Museum. Es gibt ähnliche Strukturen, Probleme, Pläne, Überlegungen usw. Die Gespräche waren Austausch auf Augenhöhe (was natürlich auch mit an Alex Höflichkeit gelegen haben mag).
Eine der besonderen Zielgruppen für die Vermittlung sind diejenigen, die bisher keine Museen besucht haben. In den Schulklassen sind z.B. diverse soziale Milieus vertreten, sodass Lehrer immer wieder betonen, wie schwierig es sei, sich mit den Klassen auf den Weg zu machen. Deswegen bietet das V&A viele Programme für Schulen kostenlos an, veranstaltet freitags zum Wochenende Feierabendtreffen für Lehrer (mit Wein) an.
Während unseres Besuchs ist das Museum gefüllt mit Familien, es sind Ferien. Vor den Gemälden von Raffael, im Renaissanceraum sitzen Familien auf dem Fußboden und bauen aus Pappe Objekte, kleinere Kinder stecken Figuren zusammen, andere stehen an, um mit Licht zu malen und Fotos zu machen.
"Engagement" (ich finde Partizipation trifft die Übersetzung hier nicht ganz) wird groß geschrieben. Es gibt viele Möglichkeiten mit den Objekten in Kommunikation zu treten. Man kann thematische Aufgaben bekommen und Objekte sammeln, es gibt Angebote zum Storytelling, unterschiedlichste Workshops, einen digitalen Klassenraum (Makerbots und Scanner für Objekte, die zum Beispiel schon im Einsatz waren, ein Computerspiel daraus zu erstellen), die Möglichkeit beim Museumsmanagement mit zu arbeiten, selbstständige Programme wie Familien führen Familien, immer wieder einen Artist in Residence, Überlegungen die Besucher am Inventarisieren teilnehmen zu lassen usw.
Dahinter steckt der Gedanke, dass durch einen kreativen Zugang ein persönlicher Bezug zur Sammlung entsteht.
Zeitgemäß bleiben die Zugänge durch so etwas wie z.B. das Projekte Creative Voice. 16- bis 24-jährige planen hier gemeinsam mit dem Museum Veranstaltungen und denken sich neue Projekte aus.
Im letzten Jahr konnten Geflüchtete Kunsthandwerk im öffentlichen Raum im Museum herstellen und verkaufen. Sie haben auch gemeinsam einen großen Quilt genäht, der dann in der Ausstellung hing.
Das V&A biete als Museum einen großen öffentlichen Raum und lädt ein, Spaß zu haben, Themen zu entdecken, persönliche Zugänge zu finden. Es eröffnet u.a. über die Vermittlung Erfahrungsräume für die Öffentlichkeit und bleibt mit ihr so in Kontakt.
Wer möchte nicht so arbeiten?
Ein paar Fakten
Ca. 400 Mitarbeiter
210000 Besucher der Vermittlungsangebote
Viele Angebote sind kostenlos.
Eintritt wird nur für die Sonderausstellungen gezahlt.