DIE KALIFORNISCHE HERAUSFORDERUNG
Heike Roegler
Ein Symposium als eine Initiative der ZEIT-STIFTUNG
Die Einladung
Da kam der vielversprechende Link per E-Mail für ein Symposium zu Themen wie „Zukunft“, „Technologie“ und „Digital“ mit Beiträgen von Mercedes Bunz, Richard Barbrook, Sascha Lobo, Tomáš Sedláček und Aral Balkan. Teilnahme kostenfrei! Toll, da wollte ich gerne rein schauen. Anregungen finden, reden, nachdenken.
Der Ort
Ort der Tagung war Kampnagel. Das passte, denn neben den Keynote wurden auch Performances und ein Filmprogramm sowie Workshops und Diskussionen der Bucerius Lab Fellow Projekte angeboten.
Das Ankommen
Das Ankommen war leicht ungewohnt. Keine Anmeldung, wer mochte, konnte einen Aufkleber mit Namen beschriften (was schreibe ich denn da drauf? Meinen Twitteraccoont? Meinen Blog? Meinen Namen?…). Dazu gab es eine Papierkarte für Feedback - anzuhängen an eine Wand, auf der das Programm ebenfalls auf Papier zu finden war. Interessant! Absicht?
#BuceriusLab?
Im Saal eine große Projektion des Symposium-Motivs, ein Sonnenuntergang mit Blick auf das Valley aus der Vogelperspektive. Zu sehen war auch noch ein Hashtag, oder? Hm. Schwer zu lesen bzw. in welcher Reihenfolge war das zu lesen?
Der Hashtag stiftete dann noch eine Weile Verwirrung. Gab es ihn nun wirklich und hatte man ihn richtig interpretiert? Es war schließlich Mercedes Bunz, die der Verwirrung Abhilfe verschaffte und den Hashtag vor ihrer Keynote benannte.
Leider fand sich im Laufe der Tagung aber niemanden des Bucerius Labs, die sich auf Twitter zu den vielen interessanten Kommentaren geäußert haben.
Die digitale Herausforderung
Michael Göring, Vorsitzender des Vorstands der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius, benannte die kalifornische Herausforderung als Metapher für die digitale Herausforderung, der wir uns in der Übergangszeit von Industriegesellschaft zu Wissensgesellschaft zu stellen haben. Es braucht seiner Meinung nach neue Regeln. Fragen nach welchen Rechten und Werten wir leben wollen seien wichtig, um nicht einer Herrschaft einer kleinen Digitalelite zu unterliegen.
Er kündigte zu diesem Hintergrund drei Themenfelder des Symposiums an:
Welches Verständnis von Fortschritt gibt es? Was ist die Herausforderung? Und: Wohin führt sie? Zum Abschluss zitierte Göring den Medienwissenschaftler N. Postman indem er auf die Denkansätze und Handlungsmodelle der Aufklärung verwies.
Technik spukt
Mercedes Bunz bewegte sich zunächst auch in der Vergangenheit, aber einer jüngeren. Sie zeigte die Entwicklung des Internets sowohl in den USA als auch in Europa. Das Netz nahm demnach anfangs unterschiedliche Wege, was die verschiedenen Umgangsweisen mit ihm heute in Europa und den USA erklären kann.
In ihrer Keynote „Zur Rolle digitaler Technologie in der Geschichte und Gegenwart“ führte Bunz dabei aus, dass Technik nach Ansicht vieler „spuken“ kann. Sie wird von Menschen gemacht und folgt doch einer eigenen Logik. „Menschen handeln, Digitalisierung geschieht“.
Sie zeigte anhand mehrerer journalistischer Beiträge auf, dass wir in Deutschland oft „das Internet verdächtigen und uns vernetzt und verraten fühlen.“
Das Problem, das sie dabei sieht ist, dass "die Befindlichkeit gegenüber der Technologie ... nichts an der Nutzung" ändert. Interessanterweise nutzen beispielsweise in Deutschland über 90% Google während es in den USA nur knapp 70% sind. Ein Paradox, das Bunz umtreibt: Warum ist das so? Ihre Untersuchungen haben ergeben, dass tatsächlich unsere negative Einstellung uns davon abhält, sich einzumischen. „Unser Verständnis von Technik steht uns im Wege nicht die Technik selbst.“ Dabei wäre gerade eine Hinwendung zur Technik notwendig!
Make business cool
Barbrook treibt das Entrepeneuerwesen um. Er machte in seiner Keynote eine Zeitreise in die in die Zeit des Zusammenbruchs der Sowjet Republik, denn mit dem Zusammenbruch des Kommunismus wurde auf einmal so etwas wie ein Weltmarkt attraktiv. Der amerikanische Neoliberalismus stieg auf. Dabei waren es die Möglichkeiten der Informationsgesellschaft und der neuen Technologien, die in Kalifornien der 1990er entstanden, die einen Glauben an emanzipatorische Möglichkeiten aufkommen ließen.
Plötzlich konnten die ehemaligen Hippies beides haben: „they were regarded as an alternative person and make money“. Barbrook kritisiert die Kalifornische Ideologie, diesen „neuen Glauben“, der seiner Meinung nach durch die Verschmelzung der Künstlerisch-Kreativen aus San Francisco und dem Silicon Valley entstand. Diese Ideologie basiert auf der Fortentwicklung der Hippie-Bewegung, in der der Glaube herrscht, dass der technologischen Fortschritt die liberalen Prinzipien zur gesellschaftlichen Tatsache macht. Indem alle ihre Meinung ohne Zäsur und Angst äußern können, würde die Macht von Unternehmen und Regierungen gebrochen werden.
Doch dieses Ideologie (Barbrook benennt dazu eindeutig das Internet) basiert seiner Meinung auf einer „Jeffersonian Democracy“, was bedeutet, dass die Freiheit (des weißen Volks bzw. der High-Tech-Elite) auf Sklaverei (dem elektronischen Marktplatz) basiert.
Dritte Orte
Lena Clausen befasste sich mit dem Kommunismus und unternahm ebenfalls eine kleine Zeitreise. Sie machte dabei Orte ausfindig wie das Zuhause und den Arbeitsplatz alls erste und zweite Orte. Als gegenwärtig und wichtig im Umgang mit der Kalifornischen Herausforderung benannte sie die dritten Orte. Das sind Orte, die durch die Digitalisierung befähigt werden und dabei neutral sind, weil sie lediglich zum Austausch anregen sollen.
Lena Clausen machte auch auf ein Zeitparadoxon aufmerksam. So möchten wir in Deutschland immer schneller digitalisieren und gleichzeitig sind uns die Kalifornier damit zu schnell.
Auch sie zeigt also wie Mercedes Bunz das Problem der kritischen Haltung und der Handlungsunfähigkeit auf. Eine Herausforderung, die nur gelöst werden kann, wenn man sich ihr stellt.
Wie man damit umgehen kann, hat Aral Balkan gezeigt.
Ethical Design
Auch Balkan griff das Motiv der Sklaverei auf, wenn er sagt „if we need emancipation it means we are enslaved.“ Dazu stellte Balkan die Frage, wem persönliche Daten gehören und wer sie kontrolliert? Die Entscheidung dazu haben wir alle schon längst gefällt.
Balkan nennt diese Art von Kapitalismus den Überwachungskapitalismus und nennt es das Business Model des Silicon Valley.
Klar, dass man so schnell auf Rechte kommen kann, die doch den Einzelnen zustehen sollten. Balkan verwies dabei jedoch zurecht darauf, dass „legistive solutions means you need to know the nature of the self“. Sehr anschaulich zeigte er auf wie wichtig es ist, die persönlichen Rechte zu erweitern.
Im Prinzip scheint das alles einleuchtend und trotzdem fragte auch Balkan (wie auch schon Bunz und Clausen): „Why aren’t we regulating?“ Und forderte: „We have to stop being useful idots.“ Seine Lösung lautet „Design“. Dabei versteht Balkan unter Design mehr als „Schönes“. Für ihn ist „Design is everything going into making a product“.
Balkan präsentiert als seine Lösung das Ethical Design, in dem es darum geht „to respect the people we are building for.“ Das ist holistisch gemeint. Es geht nicht darum, was die Designer tun, sondern um das gesamte System von Werten und Prozessen ethischer Organisation.
Ganz wichtig dabei, Produkte und keine Menschen bzw, deren Klon zu verkaufen.
Fazit?
Trotzdem ich bei weitem nicht an allen Panels teilgenommen habe, möchte ich ein kleines, subjektives Fazit wagen.
Fange ich bei der Herausforderung an: Ich glaube, die kennen die meisten von uns und nehmen sie irgendwie als ein Problem wahr.
Vor allem der Vortrag von Mercedes Bunz und ihre Frage, warum wir gerade besonders in Deutschland so kritisch gegenüber dem Digitalen und gleichzeitig so unkritisch Digitales nutzend sind, hat mir einen pointierten Hinweis auf mich selbst gegeben. Ich muss mich selbst fragen: Wie komme ich Technik nahe und kann gestaltend dazu beitragen? Eine gute Antwort scheint mir dabei das Ethical Design von Aral Balkan zu geben.
Ich denke, es ist noch viel zu früh, ein historisches Fazit über die digitale Herausforderung zu ziehen. Das werden wahrscheinlich Generationen nach uns beurteilen müssen. Trotzdem ist es gut, zurück zu schauen und darüber nachzudenken, warum die Dinge so sind, wie sie sind. Wie kommt es zu einer „kapitalistischen, plattformbasierten Echtzeiteffizienz“ (um auch noch Sascha Lobo zu zitieren)?
Alleine kann man solche Fragen nicht beantworten. Gut ist es, darüber in einen Dialog, einen Austausch zu kommen, um sich selbst zu verstehen und handeln zu können.
Das Bild von Aral Balkan mit dem Bullshitbaum, dem anderen Baum und der wichtigen Brücke zwischenn beiden gefällt mir dazu sehr.
Mein Fazit: Mach’ was draus. Vielen Dank für die vielen guten Ideen!
PS: Mein Feedback habe ich aber dann doch nicht analog abgegeben.