„Ich möchte jetzt auch einen Hund haben!“ - 154Collective Kunstaufführung in Manchester
Heike Roegler
Nein, ich persönlich möchte nicht jetzt sofort einen Hund haben, da hätten wohl meine mitbewohnenden Haustiere einen Einwand.
Es handelt sich hier um den Ausruf einer Besucherin des Stücks „Dancing with the Orange Dog“, das u.a. im Lowry in Manchester gespielt wurde.
Das Künstler-Kollektiv „The 154Collective“ ist eine Gruppe von Künstlern, die aus einem breiten Spektrum der Kunst kommen (inklusive Theater, Film, Fotografie und Malerei). Gemeinsam ist allen die Leidenschaft, Geschichten, Ereignisse und Orte aus einer ungewöhnlichen Perspektive zu porträtieren und damit auf spielerische Weise herauszufordern, Gedanken zu provozieren.
Ihr neustes Projekt ist „Dancing with the Orange Dog“, das im Februar in England in verschiedenen Theatern läuft (Bradford, Stockton und Manchester).
Es ist die eine Geschichte über Geschichten … Ein Kreislauf von (Familien-) Geschichten.
Dan Mallaghan und Lucy Hind spielen Vater und Tochter, beide zu unterschiedlichen Zeitpunkten ihres Lebens (was sich erst im Laufe des Abends erschließt).
Erzählt werden die Geschichten aus dem Leben des Vaters und seines Hundes, festgehalten mit einer Videokamera, während seine Tochter noch ungeboren im Leib der Mutter weilt.
Die Tochter erzählt diese und ihre eigenen Geschichten, festgehalten mit einem iPhone, um sie später mal den eigenen Kindern weitergeben zu können.
Und so geht der Geschichtenkreislauf immer weiter. Die Technologien mögen wechseln, die Dinge, die binden, die Geschichten sind unveränderlich.
Die Geschichten bleiben.
Das besondere ist der kreative Umgang des Kollektives mit eben diesen Geschichten. Auf der Bühne stehen nicht einfach Dan Mallaghan und Lucy Hind, sondern es passiert noch viel mehr.
Die Kulisse besteht aus Kartons, die Reflexionsfläche für Videoclips, Animationen und Projektionen sind.
Wenn der Vater über seine Schlaflosigkeit spricht, dann sind fantastische, grelle Bilder, die der Künstler Fabric Lenny dazu auf dem iPad gezeichnet hat, zu sehen.
Wenn die Geschichte vom Kanuausflug auf dem Boot erzählt wird, gibt es einen Video mit einer Animation aus Karton, die die Gruppe mit Lenny gemeinsam produziert hat.
Wenn Hind von ihrem Angelausflug erzählt, sieht man diesen auf dem Karton erscheinen, natürlich gezeichnet.
Weitere Geschichten entfalten sich im Schlaglicht einer Taschenlampe. Bilder und Geschichten, die Benjamin Rabe und Mathew Watkins als assoziierte Künstler auf dem iPad gezeichnet haben.
Alles wird von dem Musiker Giuliano Modarelli auf virtuose Weise mit der Gitarre begleitet.
Auf wundervolle Weise entwickeln so die Geschichten ihren Sog, eine Faszination. Sie rühren an (hatten wir nicht fast alle ein Haustier, das inzwischen zum Teil der Familiengeschichten geworden ist?). Sie regen an: Wie war das noch damals bei uns? Sie bewegen.
Mit dem Theater-Stück ist der Kunstabend nicht vorbei. Das Kollektiv bietet noch mehr. Im 2. Teil ist die Band „The Housekeeping Society“ auf der Bühne. Sie hat Songs zu den Geschichten geschrieben. „Waking the deamon“ ist z.B. die vertonte Schlaflosigkeit.
Ric Neale, Ivan Mack und Spencer Bayles nehmen immer wieder Bezug zu Hinds und Mallaghans Geschichten.
Dazu entstehen, live gezeichnet, weitere Bilder. Projiziert und verzaubernd anzusehen. In Manchester haben Fabric Lenny, Benjamin Rabe und Mathew Watkins live gemeinsam gezeichnete und animierte Bilder auf der Kartonwand laufen lassen. Es gab begeistere Zwischenrufe und immer wieder neugierige Blicke (wie machen die das?) aus dem Publikum. Ein grandioses Spektakel für alle!
Die Auflösung, warum der Hund denn nun orange ist, ist übrigens traurig und komisch zugleich.
Abgerundet wurde der Abend durch eine begleitende Ausstellung, rund um „the Orange Dog“. Eine Installation mit Werken der Künstler: Anna Connor, Benjamin Rabe, Fabric Lenny und Yvonne Roberts.
Ich denke in letzter Zeit nun wieder öfter an den Hund, den es in meiner Familie während meiner Kindheit gab. Ich möchte bei diesen Gedanken gerne lachen, tanzen und herumspringen
„Dancing with the Orange Dog“ ist eine großartige kollektive Arbeit, die es versteht in ihrer Vielfalt zu überzeugen und doch den Blick auf das eine, die Geschicht(en) zu lenken.
Weitere Bilder sind auf Flickr zu finden.