Zusammenfassung der Frühjahrestagung des Museumsverbands Schleswig-Holstein und Hamburg 2017
Heike Roegler
Am 12. Juni fand die Frühjahrestagung des Museumsverbands Schleswig-Holstein und Hamburg zum Thema Barrierefreiheit und Inklusion im Schloss Ahrensburg statt.
Hier folgen einige Notizen zu den Vorträgen:
Prof. Dr. Jörn Henning Wolf stellte in seiner Begrüßungsansprache auf der Frühjahrestagung das Thema "Barrierefreiheit und Inklusion in Museen" als DAS aktuelle Anliegen der Museen vor.
Die Realisierung sei in den Häusern höchst verschieden, nur schritt- und stufenweise vollziehbar, aber seiner Meinung nach sehr wichtig. Denn, Barrierefreiheit und Inklusion gehört für ihn zu den vielfältigen Handlungsprozessen, um sich zeitgemäß zu positionieren.
Es gehe dabei auch um Ansprüche von Gesellschaft und Politik, Bildung, Wissen, Information sowie kulturelle Erlebnisse für alle Menschen zugänglich zu machen. Die Anerkennung, Gewährleistung und absehbare Erreichung des Prinzips der Inklusion zur Gewinnung und Bereicherung von Zielgruppen sollte das Ziel sein.
Museum wandeln sich laut Wolf vom Musentempel zum Lernort für alle.
Wolf verwies nochmals auf den Leitfaden des Deutschen Museumsbunds, Bundesverbands Museumspädagogik und Bundeskoempetenszentrums Barrierefreiheit.
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Prof. Dr.Ulrich Hase sprach in seinem Vortrag über die Rahmenbedingungen zur Barrierefreiheit.
Sein wesentlicher Hinweis: Barrierefreiheit ist von Anfang an zu planen, es wird schwer im Nachhinein etwas zu ergänzen, dann ist meist nur noch ein Kompromiss möglich. Hase plädierte daher sehr dafür, bereits in Ausschreibungen Barrierefreiheit festzuschreiben.
Für ihn ist Inklusion ein Begriff der gesellschaftlichen Öffnung für Menschen mit Behinderung und zwar im Sinne von: für alle (Universal design - planen und bauen für alle).
Hase trennt die Begriffe Integration im Sinne von Personalplanung und Inklusion im Sinne von systematisch.
Barrierefreiheit bedeutete bisher, Zugänge überhaupt zu schaffen. Gegenwärtig solle es weiter gehen, darum, ein Gesamtkonzept für alle zu schaffen.
Hases Wunsch wäre es, in das Landesbaurecht die Barrierefreiheit fest zu schreiben (wie den Brandschutz). Themen wie Licht, Höhe/Breite usw. könnten aufgenommen werden.
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Ingrid Körner (Senatskoordinatoren für die Gleichstellung Behinderter) kennt das Problem von Museen in Bezug auf Barrierefreiheit, sie sind oftmals in alten Beständen untergebracht und umfangreiche Umbauten sind nötig.
Dazu kommt - vor allem in Kunstmuseen - die Frage nach der Ästhetik von Ausstellungen, wie geht man z.B. mit Kontrastfarben oder Beleuchtung um, wenn die Wirkung gezielt eingeplant ist?
Körner weiß aus ihrer langjährigen Arbeitserfahrung, gemeinsam (im Schulterschluss mit Betroffenen) wird es möglich, zu handeln.
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Spannend ist das Projekt PILOT INKLUSION - Ein Kooperationsprojekt Bonn - Hamburg- Freiburg - Weimar.
Birgit Tellmann (Bundeskunsthalle) stellte als Erste (und Projektantragstellerin) in der Runde der beteiligten Museen das Pilotprojekt vor.
Der Pilot ist ein Versuch der Zusammenarbeit von Museen, um allgemeinere Wege und Lösungen aufzuzeigen. Tellmann ist sich allerdings sicher, es wird keine Patentlösung geben, denn Museen sind unterschiedlich, auch unterschiedlich in regionaler Einbindung.
Anstoß für das Projekt war nach Tellmann die Frage nach dem, was nach der UN Konvention von 2009 in den Museen bisher geschehen war. Eine Frage nach Lösungen war in den Häusern durchaus vorhanden, die aber meist individuell abgestimmt waren und keine gemeinsame Handlungsorientierung vorsahen.
So kam die Bundeskunsthalle dazu, 2015 beim BKM einen Antrag für ein Förderprojekt auf drei Jahre in Kooperation mit weiteren Museen zu stellen.
Tellmann formulierte deutlich, dass Barrierefreiheit und Inklusion (und auch als Ergebnis der Arbeit) in den Museen kuratorisch von Anfang an mit gedacht werden müsse, um erfolgreich zu sein.
Zielsetzungen des Pilots sind:
- (Ausstellungs)Gestaltung für alle denken - neuer kuratorischer Ansatz (sensorisch)
- Inklusion als Haltung implementieren
- Netzwerke ausbilden
Die Bundeskunsthalle hat dafür Inklusive Module erdacht, die mediale, personale, handlungsorientierte Vermittlungsmethoden und Module für drei thematische Ausstellungen liefern sollten und zurzeit erprobt werden.
Dieser Prozess führte vom Modul bis hin zum Inklusionskonzept.
Während des Prozesses wurde die Komplexität von internen und externen Schnittstellen deutlich - Fragen wie: wer spricht mit wem? (Kurator, Vermittler, Gestalter) mussten immer wieder abgestimmt werden. Bei Abstimmungen wurde weitgehend die Vermittlung den kuratorischen Konzepten übergeordnet.
Dabei wurde deutlich: Man muss sich viel Zeit nehmen, wenn man mit allen Experten zusammen arbeiten will/muss (Kurator, Gestalter, Vermittler).
Denn, das Haus inszeniert die Kunst, und es ergeben sich unweigerlich Probleme bei der Erstellung inklusiver Konzepte wie z.B. das Ausleuchten richtig zu lösen sei (Kontraste oder keine? Inszenierung versus Wege erkennen können). Dabei höre ein Kurator dann schon mal eher auf den Gestalter.
Ein wichtiges Element für die Bundeskunsthalle war in dem Pilot das Thema der Partizipation. Das Interesse an Besucherperspektive ist wichtig, will man das Museum als Ort der Begegnung etablieren.
Tellmann: "Wir sind eine diverse Gesellschaft und die Museen müssen sich dahin ändern."
Bisherige Ergebnisse der Arbeit sind inzwischen:
- Es müssen Schnittstellen und Kompetenzen definiert werden,
- die Partizipation muss gestaltet werden,
- der Museumsbegriff ist neu zu beleuchten,
- eine Willkommenskultur und Atmosphäre sind erforderlich.
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Silke Oldenburg stellte für das MKG die neuen Zugänge zur Sammlung Jugendstil im Rahmen des Pilots vor.
Ohne den Pilot wäre das MKG mit dem Thema Inklusion und Barrierefreiheit nicht da, wo es bis jetzt ist. Denn wie bereits mehrfach auf der Tagung angesprochen, ist es (leider) auch immer ein finanzielles Thema.
Mit der Teilnahme am Projekt konnten die Finanzfragen gelöst werden und wurde die damit verbundene Verpflichtung Antrieb zum Handeln.
Zur Ausgangslage:
Die Sammlung Jugendstil ist ein großes Herzstück des Hauses. Es gibt ästhetische Orte, die als Raum funktionieren. Das heißt, es musste mit dem Ort gearbeitet werden.
2015 wurde der Umbau neu eröffnet, also war es für den Pilot nicht mehr möglich, Inklusion von Beginn an zu denken.
Ziel wurde es, nachträglich kleine Dinge zu bewegen und Bildung für alle zu ermöglichen. Das MKG arbeitet hier mit einem erweiterten Inklusionsbegriff: dem der sozialen Inklusion.
Heraus gekommen sind:
- Ein Begleitheft in Alltagssprache (zusammen mit Lebenshilfe in Hamburg erstellt) Interessant ist, das min. 80% Besucher nehmen inzwischen das Heft, die Wandtexte sind nicht mehr so relevant. Das hat Denkprozesse im Haus ausgelöst.
- Es gibt Tastmodule und Fliesen als "Hands on Station" zu ertasten
- Für die digitale Welt wurde das Portal "Bewegte Jahre" erstellt - eine Webseite, die die Epoche erklärt
Es gibt zum Portal eine Postkarte in Braille.
Ergebnisse:
Es entstehen keine Mehrkosten, wenn die Vorgaben von Anfang an bedacht werden. Das Umdenken muss sukzessive passieren.
Die Inklusion ist eine große Chance, sich als Haus insgesamt zu öffnen.
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Angelika Zinsmauer stellte die Städtischen Museen Freiburg auf dem Weg zur Inklusion vor.
Für sie beginnt die Inklusion im Kopf, sie ist eine Frage der Haltung.
Zurzeit befindet sich das Augustinermuseum im Umbau, was zu guten Chancen führt, die Maßnahmen einzuhalten.
Die Herausforderungen hier sind die personelle Vermittlung, Ausstellungen und Museumsbauten zusammen zu führen.
Das Museum ist extrem ästhetisch gestaltet. Grundvoraussetzung für alles sei, dass die Leitungsebene mitgehen müsse.
Während der Planung wurde von Expertenwissen eingebunden. Beraten haben der Gehörlosenbund, das Nachbarschaftswerk, Gebärdendolmetscher, Stadt-Lamd Demenz e.v., der Behindertenbeirat Stadt Freiburg, die Caritas, die Behindertehnwerkstätten, ...
Herausgekommen sind gemeinsame Vermittlungsangebote, Sinnesmodule usw.
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Dr. Elke Kollar sprach für das Stadtschloss Weimar von dem Weg zu inklusiven Ansätzen.
Vorteil für den Pilot war hier, dass die Klassik Stiftung viele unterschiedliche Bereiche aufzuweisen hat, die mehr Erfahrungen bieten.
2015 wurde Bildungskonzept neu geschrieben, in dem Partizipation und Inklusion fest geschrieben sind. Zurzeit gibt es große Bauvorhaben, u.a. soll das Sadtschloss neu geplant und bis Anfang 2022 fertig gestellt werden.
Der Pilot in Weimar dreht sich um die Frage wie man Angebote schaffen kann, die die Grundbedürfnisse verschiedener Menschen berücksichtigt. Auch hier wird mit der sozialen Inklusion gearbeitet.
So haben sich die Kollegen z. B. dem Thema Sitzen gewidmet und sich dazu die Frage gestellt, wie man dazu auch einen Objektbezug stärken kann? Sie haben das Bedürfnis der Besucher, sich zu setzen, mit inhaltlichen Fragen verbunden. Wie sitzt man denn im 18. Jahrhundert? Dass Macht dabei eine wesentliche Rolle spielte, führte dann zur Konstruktion der Besucherhocker, die in verschiedenen Höhen und Bequemlichkeiten das Thema Macht aufgreifen.
Die Hocker, die es nun in den Ausstellungen gibt, laden zum Ausprobieren ein. Es gibt unterschiedliche Sitzhöhen und Materialien.
Das Stadtmuseum hat bei seinen Überlegungen mit Personas gearbeitet und Besuchertypen entwickelt, sich nach ihren Interessen, Bedürfnissen und Wegen gefragt.
Bei der Entwicklung des Eingangsportals, neuer Besucherräume usw. wurde klar festgelegt, Inklusion muss einladend wirken und willkommen heißen.
Dazu ist ein Prozess intensiver Verständigung unter allen Beteiligten nötig.